Früher arbeitete Andreas Neuffer abstrakt, seit etwa 2008 tritt der Gegenstand in seinen Arbeiten klar heraus.
Hierfür ist er permanent auf Motivsuche - als potentielle Quellen dient ihm alles, was Bilder und Text enthält,
vom Familienalbum über Kinderbücher bis zum Internet. Oft sind es Details, die ihn faszinieren, ein
Faltenwurf etwa oder der Lichtschein auf den Sofakissen in einem Möbelkatalog; man erkennt in seinen Arbeiten
aber auch Formen und Bilder aus den Medien wieder, die sich als Ikonen ins kollektive Bildgedächtnis eingebrannt
haben.
Die Wahl seiner Motive ist in Teilen ein unbewusster Prozess, zudem folgt der Künstler dabei ganz
persönlichen Impulsen.
Am Computer bearbeitet Andreas Neuffer seine Fundstücke, setzt sie zu etwas neuem zusammen, fügt
Irritationen in Bilder ein, die man kennt, die man schon mal oder sogar oft gesehen hat.
So verfremdet er ein kanonisches Foto der Schleyer-Entführung durch davorgelegte Rechtecke oder setzt
Braut und Bräutigam auf einem Hochzeitsfoto zwei identische Köpfe auf. Oft fügt der Künstler noch Text hinzu.
Diesen verfasst er manchmal selbst, häufig handelt es sich dabei aber ebenfalls um Fundstücke.
Die ursprüngliche Bedeutung des Worts tritt dabei in den Hintergrund. Es soll durch den neuen Kontext umgedeutet werden können,
von jedem Betrachter auf eigene Weise - die Texte sollen die Assoziationskette weiterführen, neue Fragen aufwerfen; sie sind kein Lösungsvorschlag.
Das Material, in dem er seine Bildideen umsetzt, bezeichnet Andreas Neuffer selbst als "demokratisch" -
keine Keilrahmen und Leinwände, die nur ein Fachkundiger gut spannen kann, sondern Material, mit dem jeder
umgehen könnte: Packpapier, Spanplatte, Klebeband und immer wieder Wellpappe. Die kauft er nicht, er lässt
sie sich auch nicht in Läden zurücklegen, sondern er sucht und findet sie an Hausecken oder
Altpapiercontainern lehnend. Aufgespürtes Material und gefundene Objekte haben bereits eine eigene
Geschichte hinter sich, bevor der Künstler sie bearbeitet, wie auch die Motive ihre eigene Vergangenheit
und Bedeutung mitbringen. In manchen Fällen zeichnet die Geschichte des Materials bereits den weiteren Weg
vor: So stammen die Verschalungsbretter, aus denen Neuffer den Umriss einer Kalaschnikow gesägt hat, aus
einer Gartenlaube - für ihn der Inbegriff der Spießigkeit.
Die Bearbeitung besteht in vielen Fällen darin, dass der Künstler den Rand oder die Oberfläche des
Materials zerstört und das Motiv durch die Reste entsteht, die stehenbleiben, wenn er zum Beispiel einen
silbernen Fußball abschleift und nur ziseliertes Maßwerk stehen lässt. So kontrolliert er die Bilder am
Rechner vorbereitet, so wenig vorherbestimmt läuft der Umsetzungsprozess ins Material: Wie sauber löst
sich die Deckschicht der Wellpappe? Wie sieht der Ball unter der Silberschicht aus? Wie fein bröselt
Toastbrot und wie verfärbt es sich im Lauf der Zeit?
Zwei Dinge verbinden dabei alle "demokratischen Materialien" von Andreas Neuffer: Zum einen sind sie
fragil, nicht für die Ewigkeit gemacht. Der Künstler schützt sie auch bewusst nicht durch Glas oder
Konservierung gegen Beschädigung und Verfall. Dies ist eine bewusste Absage an die Idee von Kunst als
unvergänglichem Werk (und Wertgegenstand) und bildet auch einen Gegensatz zu Neuffers Ausbildung zum
klassischen Steinmetz.
Das Jahrhunderte überdauernde gotische Maßwerk, das diese Zunft einst schuf, taucht dennoch gelegentlich in
den Arbeiten des Künstlers wieder auf, als unauslöschliche Idee und ungebrochene Freude an der Ästhetik
des Ornaments.
Was zum zweiten gemeinsamen Merkmal aller Werke von Andreas Neuffer führt, ihrer ruhigen,
zurückhaltenden Gestaltung ohne knallige Farben, ohne harte Kontraste. Sogar zwischen seinen Grafiken
und seinen Objekten besteht kein fundamentaler Gegensatz - die Pappgrafiken lassen sich als Objekte
lesen und die Objekte als Grafiken verstehen.
Peter König
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